Seit Juli 2023 ist das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Kraft. Unternehmen haben interne Meldestellen eingerichtet, Meldekanäle definiert und erste Verfahren durchgeführt. Doch die eigentlichen Herausforderungen zeigen sich jetzt – im Alltag zwischen juristischer Auslegung, organisationaler Umsetzung und praktischer Handhabung. Vier zentrale Fragen dominieren die Diskussion: Wie gehen Unternehmen mit anonymen Meldungen um? Was bedeutet echte Unabhängigkeit der internen Meldestelle? Wie leben Unternehmen die Anforderung der „Fachkunde“ bei den Mitarbeitenden der Meldestelle? Und wie gelingt der Schutz der Vertraulichkeit? Wir geben Antworten aus unserer Praxis.

Anonyme Meldungen: Pflicht oder Risiko?

§ 16 HinSchG formuliert es scheinbar zurückhaltend: Unternehmen sollten anonyme Meldungen entgegennehmen, sind aber nicht verpflichtet, anonyme Meldekanäle einzurichten. Dennoch entfaltet eine substanzielle anonyme Meldung rechtliche Wirkung. Sobald sie konkrete Verdachtsmomente enthält, muss die Unternehmensleitung aufklären – aus der Legalitäts- und Aufklärungspflicht (§§ 93 AktG, 130 OWiG). Wer ignoriert, riskiert Ermittlungen. Das LG Nürnberg-Fürth hat 2024 entschieden, dass auch eine anonyme Anzeige eine Durchsuchung begründen kann, wenn sie konkrete Tatsachen enthält. Das Urteil belegt: Das Gesetz wirkt – auch ohne Namen.

Auch aus Compliance-Sicht überzeugt die Bearbeitung anonymer Hinweise. Unsere Best Practice und die Praxis sorgfältig organisierter Unternehmen, zeigen: Effektive Hinweisgebersysteme ermöglichen anonyme Meldungen und geschützte Kommunikation. Wer diesen Standard verfehlt, verliert nicht nur Vertrauen, sondern auch Anerkennung durch Behörden.

Unabhängigkeit der Meldestelle: Zwischen Gesetz und Realität

§ 15 HinSchG fordert: Interne Meldestellen müssen unabhängig und frei von Interessenkonflikten agieren. Doch was heißt das praktisch? Die Literatur ist sich einig: Weisungsfreiheit umfasst nicht nur formale Unabhängigkeit, sondern auch Schutz vor subtiler Einflussnahme – etwa durch Budgetkontrolle, Genehmigungsvorbehalte oder Zielvorgaben. Die interne Meldestelle muss eigenständig über Hinweise, Prüfungen und auch Folgemaßnahmen entscheiden können (§ 18 HinSchG). Unternehmensinterne Prozesse dürfen sie dabei nicht blockieren.

Gleichzeitig bleibt die Meldestelle Teil der Unternehmensstruktur. Sie muss sich an bestehende interne Richtlinien – etwa zu internen Untersuchungen – halten, darf aber nicht durch organisatorische Hürden in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Die Unabhängigkeit endet nicht beim Ob der Maßnahme, wohl aber bei der praktischen Umsetzung innerhalb betrieblicher Vorgaben.

Fachkunde

Die interne Meldestelle darf nicht nur formal bestehen, sondern muss inhaltlich arbeitsfähig sein. § 15 Abs. 2 HinSchG verlangt ausdrücklich, dass die beauftragten Personen fachkundig sind. Das bedeutet: Sie müssen das Hinweisgeberschutzgesetz sicher anwenden, rechtlich komplexe Sachverhalte plausibilisieren und geeignete Folgemaßnahmen beurteilen können. Dazu gehört Wissen in Arbeitsrecht, Datenschutz, internen Untersuchungen und Ermittlungsführung. Fehlt die Expertise im Unternehmen, ist qualifizierte externe Unterstützung einzubinden. Ohne Fachkunde drohen Fehler bei Bewertung und Umsetzung – mit rechtlichen und finanziellen Risiken für das Unternehmen. Wenn Dienstleister wie Hinweisgeberexperte die Meldestelle betreuen, erfüllen wir diese Anforderung für unsere Mandanten.

Vertraulichkeit: Schutz für alle Beteiligten

§§ 8 und 9 HinSchG schützen die Identität des Hinweisgebers – und auch die von Betroffenen und Zeugen. Ohne deren ausdrückliche Einwilligung dürfen keine Informationen weitergegeben werden, aus denen sich die Identität ergibt. Nur wenn die Weitergabe erforderlich ist, etwa zur Durchführung interner Untersuchungen oder zur Einleitung von Sanktionen, sieht das Gesetz Ausnahmen vor. Die interne Meldestelle trägt hier eine enorme Verantwortung. Ein Verstoß kann zu Bußgeldern bis 50.000 EUR führen (§ 40 HinSchG).

Gerade in Fällen, in denen der Hinweisgeber anonym bleibt und auf eine Offenlegung verzichtet, entsteht ein Dilemma. Die interne Stelle darf keine Rückschlüsse ermöglichen, muss aber dennoch wirksam untersuchen. Hier hilft oft nur eine sorgfältige Abwägung – im Extremfall sogar ein rechtfertigender Notstand (§ 16 OWiG).

Fazit

Das HinSchG bringt Unternehmen in die Pflicht – rechtlich, organisatorisch und ethisch. Wer interne Meldestellen als formale Notwendigkeit versteht, verfehlt die Chance. Unternehmen, die Meldestellen unabhängig, anonymitätsoffen, fachkundig  und vertraulich aufstellen, sichern sich nicht nur Compliance-Vorteile, sondern auch Vertrauen und Kontrolle. Denn: Interne Aufklärung ist immer besser als externe Eskalation.


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Autor: RA Dr. Maximilian Degenhart, Geschäftsführer Hinweisgeberexperte. Der Compliance Dienstleister Hinweisgeberexperte berät Mandanten bei der Einrichtung von Hinweisgebersystemen und nimmt Aufgaben von internen Meldestellen wahr. Wir betreiben Hinweisgebersysteme für mittelständische Unternehmen, börsennotierte Konzerne, Landkreise, Kommunionen und öffentliche Unternehmen.

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