Nach intensiven Diskussionen wurde das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz am 11. Juni 2021 vom deutschen Bundestag verabschiedet. Damit einigte sich die damalige Bundesregierung auf ein nationales Gesetz, das Unternehmen dazu zwingt, bei Zulieferern weltweit auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten.
Das Lieferkettengesetz gilt zunächst für alle in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten, und zwar ungeachtet ihrer Rechtsform. Zudem gilt das Gesetz für ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassungen in Deutschland und mindestens 3.000 Beschäftigten im Inland. Ab 2024 sinkt die Grenze auf 1.000 Beschäftigte. Zudem sind auch kleine und mittelgroße Unternehmen mit weniger als 3.000 Beschäftigen jedenfalls indirekt betroffen, da sich die Sorgfaltspflichten der Anwender auch auf deren Zulieferer beziehen.
Durch das neue Lieferkettengesetz werden die betroffenen Unternehmen dazu verpflichtet, menschen- und umweltrechtliche Vereinbarungen entlang ihrer globalen Lieferkette einzuhalten. Dazu zählen vor allem das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, das Verbot der Missachtung geltender Pflichten des Arbeitsschutzes, die Achtung der Koalitionsfreiheit und angemessener Löhne, das Verbot schädlicher Umweltverschmutzungen oder übermäßigen Wasserverbrauchs, das Verbot der Ausfuhr und Einfuhr gefährlicher Abfälle, das Verbot widerrechtlicher Zwangsräumung sowie das Verbot der Beauftragung von Sicherheitskräften, wenn dadurch Menschenrechtsverletzungen drohen.
Zudem enthält das neue Lieferkettengesetz erstmals umfangreiche menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten, die sich auf die gesamte Lieferkette erstrecken. Diese Sorgfaltspflichten umfassen dabei:
Die wichtigste Maßnahme, um den Verpflichtungen des Lieferkettengesetzes nachzukommen, ist die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens und der Betrieb dieses Beschwerdeverfahrens. Ein Beschwerdeverfahren ist eine andere Beschreibung von „Hinweisgebersystem“.
Ein Beschwerdeverfahren ist ein Hinweisgebersystem. Ein Hinweisgebersystem sollte über verschiedene Meldekanäle für Hinweisgeber erreichbar sein. Diese Meldekanäle bestehen im besten Fall aus einer digital erreichbaren Meldeplattform, einer telefonischen und einer persönlichen Erreichbarkeit einer unparteiischen Stelle, die Hinweise für das Unternehmen entgegennimmt, bewertet und in Rücksprache mit dem Unternehmen bearbeitet. Wenn Unternehmen ihr Hinweisgebersystem Zulieferern und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stellen, dann erfüllen sie die wichtigste Anforderung des Lieferkettengesetzes.
Die Angemessenheit der Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht richtet sich nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, dem Einflussvermögen des betroffenen Unternehmens auf den Verursacher eines Risikos oder einer Verletzung, der zu erwartenden Schwere der Verletzung, ihrer Umkehrbarkeit und der Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer menschenrechts- und umweltbezogenen Pflicht, sowie nach der Art des Verursachungsbeitrags.
Ziel des Lieferkettengesetzes ist es, die internationale Menschenrechtslage in der globalen Wirtschaft zu verbessern und zu schützen. Mit Hilfe der menschen- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten sollen diesbezügliche Risiken vorgebeugt, minimiert und die Verletzung menschen- umweltrechtlicher Pflichten beendet werden.
Mit der Umsetzung der neuen Verpflichtungen aus dem Lieferkettengesetz sind für die Betroffenen Unternehmen neben dem Umsetzungsaufwand auch viele Vorteil verbunden.
Erstens stärken eine transparente Lieferkette und ein wirksames Compliance Management das Vertrauen der Zulieferer, Mitarbeiter und Kunden.
Zweitens sinken die Risiken, wenn ein Unternehmen alle geltenden gesetzlichen Vorgaben einhält und die potenziellen Risiken und Gefahren aktiv abwehrt.
Drittens beschleunigt ein verantwortungsbewusster und transparenter Umgang mit menschen- und umweltbezogenen Pflichten das Unternehmenswachstum, da sich Unternehmen auf diese Weise von anderen Wettbewerben in ihrer Branche abheben können.
Ein umfassendes Compliance Management und eine transparente Lieferkette führen somit zu weit mehr als der Einhaltung der menschen- und umweltrechtlichen Pflichten. Für Betroffene Unternehmen sollte daher nicht der mit der Einführung des neuen Lieferkettengesetzes verbundene regulatorische Umsetzungsaufwand im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Vorteile, die mit dieser Umsetzung verbunden sind.
Die behördliche Kontrolle und Durchsetzung des Lieferkettengesetzes unterliegt dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Dieses prüft als externe Behörde die Berichterstattung und wird nach pflichtgemäßem Ermessen tätig, um die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu kontrollieren und Verstöße durch die Verhängung von Sanktionen zu verhindern.
Mit der Einführung des neuen Lieferkettengesetzes steigen die Anforderungen an das Compliance- und Risikomanagement-System in der deutschen Wirtschaft. Betroffene Unternehmen, die ihre Prozesse und Abläufe nicht an die neuen Gesetzesänderungen anpassen, müssen mit erheblichen Sanktionen rechnen. Insbesondere können Betroffene von Menschenrechtsverletzungen nun auch Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einreichen.
Bei Versäumnissen oder Verstößen kann das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Zwangs- und Bußgelder verhängen. Im Falle vermuteter Verstöße kann es zudem zu einer vor-Ort-Prüfung durch die BAFA kommen. Ist gegenüber dem Unternehmen wegen eines rechtskräftig festgestellten Verstoßes bereits eine Geldbuße verhängt worden, wird es bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen.
Der bisherige Entwurf der EU-Kommission übertrifft die deutschen Vorgaben und sieht somit weit strengere Regelungen als das nationale Gesetz vor.
So enthält der Entwurf des EU-Justizkommissar Didier Reynders nun eine Grenze von nur 500 Mitarbeitern und 150 Millionen Euro Jahresumsatz. Stammt mindestens die Hälfte des Umsatzes aus Risikobranchen wie Textil, Lebensmittel, Rohstoffe und Metallverarbeitung, halbiert sich die Mitarbeitergrenze sogar. Konzerne von außerhalb der EU sollen auch unter die Richtlinie fallen, wenn sie in der Union einen bestimmten Umsatz überschreiten. Brüssel beabsichtig somit vor allem kleine und mittlere Firmen in die Pflicht zu nehmen.
Zudem sollen die Betroffenen Unternehmen auch zivilrechtlich in Haftung genommen werden. Schließlich sollen die Punkte um zusätzliche Umweltaspekte erweitert werden.
Die Betroffenen Unternehmen müssen handeln uns bis zum 1. Januar 2023, ihre globalen Wertschöpfungsketten überprüfen und die neuen gesetzlichen Pflichten des Lieferkettengesetzes umsetzen.
Unternehmen sollten ein Hinweisgebersystem einrichten und die entsprechende Verfahrensordnung aufsetzen. Damit erfüllen Unternehmen sowohl die Pflichten des Lieferkettengesetzes als auch die Pflichten der EU Whistleblower Richtlinie.
Unternehmen, die sich bereits jetzt mit den neuen Verpflichtungen auseinandersetzen, verringern das Risiko eines Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz. Auf diese Weise können sie ihre Chancen nutzten und ihre globalen Lieferketten verantwortungsbewusst und zukunftssicher aufstellen.
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